12.Mär.2005

4. Diskussion

Diese Liste der Ortsnamen Queenslands mit deutschen Elementen gibt mit Sicherheit deren Großteil wieder, obwohl ein Anspruch auf Vollständigkeit hier nicht bestehen kann. Einige Toponyme (Linden, Hotzfeld Creek, Weinert Creek sowie einige Parishes) konnten nicht aufgenommen werden, weil, außer einem starken Verdacht auf deutsche Wurzeln, keine Anhaltspunkte gefunden werden konnten, die diese Vermutung hinreichend stützen. Andere mögen nur so kurze Zeit Bestand gehabt haben, dass sie in den verwendeten Quellen nicht auftreten.

Doch selbst so ist diese Zusammenstellung um ein Vielfaches länger, als die der umbenannten Orte in Reynolds Überblick. Einige Orte erlebten einen Namenwechsel bereits vor dem Ersten Weltkrieg, andere haben noch Bestand. So wurden während des Ersten Weltkrieges keineswegs alle Orte mit deutschen Namen in Australien umbenannt.

Reynolds listet 15 Einträge für Queensland: Bergen, Bergenside, Bismarck, Engelsburg, Fahley, Gehrkevale, Gramzow, Hapsburg, Hessenburg, Kirchheim, Marburg, Minden, Roessler, Stegeht und Teutoberg. Zunächst fällt auf, dass hier gegenüber seiner Aufstellung Fahley fehlt. Der Ort in der weiteren Umgebung Dalbys wurde zwar 1916 in Kilbirnie umbenannt, hieß davor aber tatsächlich Zahley. Ein Nachweis über deutschen Ursprung dafür konnte nicht erbracht werden. [174] Ein weiterer Unterschied ist der bei Reynolds (und in vielen Internetquellen) auftauchende Ort Stegeht, bei dem es sich um das zu Woongoolba umbenannte Stegelitz handelt. In amtlichen Verzeichnissen trat der Name im frühen 20. Jahrhundert für gewöhnlich in der Schreibung <Stegelit> auf,[175] so dass es sich bei Stegeht um eine Verlesung handelt, die 1926 Eingang in das Jahrbuch des Commonwealth of Australia fand und in dieser Form auch in ein vielzitiertes Buch Lodewyckx’ übernommen wurde.[176]

Demgegenüber befindet sich unter den im Queensland-Kapitel gelisteten Toponymen ein weiteres, dass ebenfalls zur Zeit des Ersten Weltkriegs umbenannt wurde, und das letztlich deutsche Ursprünge hat: Friezland.

Auch in den anderen Bundesstaaten, selbst im dünn besiedelten Northern Territory und in Western Australia, die kaum deutsche Einwanderung erfuhren, entstanden deutsche Ortsnamen. Auch dort wurden nicht alle umbenannt. Viele in Victoria blieben unangetastet, einige bestehen noch in Tasmanien, Western Australia und New South Wales, ebenso viele Ortsnamen fernab von dicht besiedelten Räumen. In diesen Staaten, so ist anzunehmen, sind bei genauer Suche weitere deutsche Ortsnamen auffindbar.

Die meisten dieser Ortsnamen entstanden nach Einsetzen der deutschen Massenmigration in die einzelnen Kolonien, in Südaustralien ab 1838, in New South Wales und Victoria nach 1848 und in Queensland ab den späten 1860-ern.

Die Deutschen waren frühzeitig an der Besiedlung beteiligt. Südaustralien war als eigene Kolonie gerade zwei Jahre zuvor entstanden, in Queensland begann die Masseneinwanderung von Engländern bald nach ihrer Bildung 1854, nach New South Wales kamen sie v.a. in den 1830-ern. In diese Kolonien wanderten Deutsche zu Tausenden ein. Oft siedelten sie sich auch zusammen an. Wo das der Fall war, konnten deutsche Ortsnamen entstehen. Andere gehen aber auf Einzelne oder auf einzelne Familien zurück, die ihrem Besitz einen deutschen Namen gaben, der als amtlicher Ortsname erhalten blieb. Dass etliche Höfe deutsche Namen trugen, die nicht in die offizielle Namenwelt übernommen wurden, ist wahrscheinlich.

Auch wenn es viele deutsche Ortsnamen in Australien gibt bzw. gab, sind es prozentual sehr wenige. Gemessen an allen Ortsnamen Queenslands, entsprächen die hier vorgestellten Ortsnamen mit deutschen Elementen in diesem Staat, auch wenn sie nicht umbenannt worden wären, nicht einmal einem Prozent. Selbst wenn eine genauere Untersuchung der Ortsnamen in den anderen Bundesstaaten weitere mit deutschen Wurzeln ans Licht fördern würde, wäre auch dort ein ähnlich kleiner Anteil wahrscheinlich. Nach Ortsnamen aus den Sprachen der Ureinwohnern und nach englischen Toponymen sind die Ortsnamen, die deutsche Elemente enthalten, dennoch die drittgrößte Gruppe von Toponymen auf dem Inselkontinent, zumindest in den östlichen Bundesstaaten.

Doch obwohl die meisten als Folge der Massenmigration entstanden, kamen zumindest einige deutsche Ortsnamen früher oder unabhängig davon auf.
An englischen Unternehmungen waren vereinzelt Deutsche beteiligt, und das bereits mit Beginn der weißen Besiedlung des Kontinents. Deutsche Forscher arbeiteten auf dem Kontinent bevor die Masseneinwanderung begann. Deutsche Ortsnamen, dann zumeist aus Personennamen, resultierten daraus.

Vereinzelt wurden deutsche Ortsnamen sogar durch Engländer nach Australien übertragen. Die Beispiele Carlsruhe in Victoria, San Souci und Sophienburg, verdeutlichen, dass die Namengeber aus wohlhabenden Familien zwar eine persönliche Verbindung zu Deutschland hatten, aber Briten waren. Auch diese Namen entstanden, bevor die deutsche Masseneinwanderer begann. (Ein weitere, spätere Übertragungen eines deutschen Ortsnamens nicht durch einen deutschen Zuwanderer ist Heidelberg in Western Australia, das seinen Namen von George Henry Palmateer bekam.)

Der Ort Steiglitz bei Melbourne bekam seinen Namen wohl in den späten 1830-ern.[177] Die Brüder von Stieglitz, auf die er zurückgeht, waren lediglich zur Hälfte deutscher Abstammung. Ihre Mutter war Engländerin, ihr Vater, H. L. Stieglitz, war Deutscher. Er wurde 1762 in Schneeberg geboren, arbeitete für den Sächsischen Hof und lebte später in England, wo er auch starb.[178]

Ebenso sind die Coburg-Namen kein Indiz für Deutsche. Sie entstanden aufgrund der engen Verknüpfung des englischen Königshauses mit dem Adelsgeschlecht der Sachsen-Coburger, und sind somit sekundäre Übertragungen des Ortsnamens.

An der Entstehung einiger deutscher Runnamen, die später auf Siedlungen oder Räume übergingen, müssen Deutsche ebenfalls nicht ursächlich beteiligt gewesen sein. Zwar lässt sich im Einzelfall nicht sagen, ob ein solcher Name mit englisch- oder deutschsprachigen Einwanderern aufkam, aber im Falle von Namenübertragungen ist - wenn zu einem Ort kein englisches Exonym existiert - die Annahme eines Deutschsprechers umso weniger zwingend, je höher der Verkehrswert der Übertragungsbasis war. Die Runs Berlin oder Dresden können ihre Namen ebenso gut von deutschen Viehhaltern bekommen haben, wie von Engländern, denen die Orte bekannt waren.

So belegen diese Fälle, dass deutsche Ortsnamen in Australien bereits entstanden, bevor die Deutschen dorthin emigrierten. Sie sind das Ergebnis bestehender enger gesellschaftlicher Bindungen zwischen Engländern und Deutschen. Deshalb ist allein das Auftreten einiger isolierter deutscher Ortsnamen in Australien nicht Beweis für die Anwesenheit deutscher Siedler. Nur dort, wo man sie gehäuft findet, dokumentieren sie die deutsche Zuwanderung.