31.Jan.2016

Vornamen gehen immer – auch wenn's Blöd ...

Mann liest entsetzt Zeitung

Leser sind garantiert, wenn “Vornamen” in der Überschrift steht. Es ist ein seichtes Thema für Zeitungsredaktionen. Das Thema Vornamen betrifft jeden, ist meist aber belanglos genug, als dass es großes Konfliktpotential böte. Vielleicht wird deshalb gern wahllos alles dazu gedruckt. In den letzten Tagen fielen mir zwei Meldungen auf, bei denen Fragen offen bleiben...

...nach der fachlichen Kompetenz der Autoren und der der zuständigen Redakteure. Urheber der einen war ein Anbieter von Ahnenfoschung, die Autoren der anderen arbeiten für ein Dating-Portal. Pressemeldung eins war überschieben mit

“Eine Analyse von Ancestry.de zeigt, welche (historischen) Vornamen wir in Zukunft vielleicht nie wieder hören werden”

Die Mitarbeiter hatten Ihren umfangreichen Datenbestand an 78 Millionen Geburtsurkunden ab 1550 auf das Auftreten von Vornamen untersucht. Der Text beschreibt, dass Hertha und Margarete, Walter und Erich kaum noch vergeben werden. Paul, Emma und Anna kommen wieder, bzw. waren nie ganz verschwunden. (Hier der Text, falls Sie ihn vollständig lesen möchten.) Lässt man Beispiele und das schmückende Beiwerk drumherum weg, bleibt als Kernaussage dieser Pressemeldung: Manche Vornamen werden nicht mehr oder nur noch selten vergeben, andere hingegen sind wieder im Trend.

Über den Nachrichtenwert dieser Aussage kann man streiten.

Immerhin, Ancestry.de hat eine umfangreiche eigene Datenbasis, so dass man annehmen kann, dass diese Erkenntnis zumindest fundiert ist.

Die Pressemeldung hatte das Unternehmen selbst beauftragt oder verfasst. Warum man dort den Managing Director für Deutschland zitieren musste, ist unverständlich. Denn dass er im Thema Namenkunde nicht allzu tief verfestigt sein kann, wird in seinen drei Sätzen Wortbeitrag unmittelbar deutlich.
 

"Woran die Namentrends festzumachen sind, ist immer schwierig zu sagen. Aktuell relevante Persönlichkeiten und kulturelle Ereignisse spielen mit Sicherheit eine wichtige Rolle. Vermutlich gibt es immer junge Eltern, die sich bei der Namenswahl an Filmen, Schauspielern oder Musikern orientieren und so immer wieder neuen Namen zu einem Aufschwung verhelfen."

Das ist schwammig genug formuliert, als dass man nur schwer grundsätzlich wiedersprechen kann. Es wird schon so sein, dass es vermutlich immer Eltern gibt, deren Namenwahl irgendwie auch durch die Popkultur inspiriert wird. Relevante Persönlichkeiten und kulturelle Ereignisse spielen damit in der Gesamtheit der namenkundlichen Entwicklung durchaus und meinetwegen auch “mit Sicherheit” eine Rolle. Aber keine grundsätzliche.

Eltern orientieren sich bei der Namengebung in erster Linie an ihrem sozialen Umfeld. Sie nennen ihre Kinder Paul, Anne oder Emma, weil sie diese Namen bei Bekannten, auf dem Spielplatz, im Supermarkt erleben. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass sie ihre Kinder nicht Hertha oder Walter nennen, eben weil sie diese Namen aktuell nicht mehr als für für Kinder gängige Namen erleben.

Persönlichkeiten des Zeitgeschehens und punktuelle Ereignisse haben bei Namentrends nur nachrangigen Einfluss. (Ca. 6% aller Eltern geben an, ihr Kind bewusst nach einer Persönlichkeit benannt zu haben. Vgl. Studie der GfdS.) Politiker oder Pop-Stars lösen also nicht regelmäßig Trendwellen aus. Vielmehr ist es so, dass diese Personen selbst in einer Zeit benannt wurden, in der ein Name bereits eine Grundpopularität hatte. Manche dieser Namen gelangen in der Folge zu größerer Beliebtheit, andere nicht. In aller Regel schaffen sie das auch ohne die Unterstützung von Pop-Stars und Diktatoren.

Immerhin wies der Managing Director ehrlicherweise schon in seinem Einstieg darauf hin, dass er keine Ahnung hat (“[Es] ist immer schwierig zu sagen.” ).

Schauen wir uns nun die zweite Meldung an. Sie betrifft das Singleportal eDarling.

”Vornamen entscheiden über Erfolgschancen bei der Partnerwahl”

So übertitelten unter anderem Kölner Stadtanzeiger und Mitteldeutsche Zeitung den Text. Mit Verlaub, der Vornamen entscheidet mit Sicherheit nicht über die Erfolgschancen bei der Partnerwahl. Auftreten, Aussehen, Bildungsgrad, sozioökonomischer Status, wahrscheinlich auch das richtige Timing und etwas Glück – all das wird einen wesentlicheren Anteil daran haben, wieviel Erfolg man beim anderen Geschlecht erzielt. Aber bitte, doch nicht der Vorname.
Zumindest nicht ursächlich.

Einen korrelativen Zusammenhang zwischen dem Bildungsgrad der Namengeber und dem Namen der Kinder gibt es natürlich. Jason, Kevin oder Celine sind nachgewiesen anteilig seltener in Akademikerfamilien, Johanna, Charlotte, Felix und Moritz anteilig höher dort vertreten. Deshalb können Vornamen in der Gesamtheit und bestenfalls tendenziell ein Indikator für eine Schichtzugehörigkeit sein. Und Status hat Auswirkungen darauf, welche Kreise einer Person offen stehen, aus denen sich dann ein Partner findet. 

Relevant ist der Vorname im Kontext der Pressemeldung von eDarling nur insofern, als dass er auf der Dating-Plattform einer der wenigen Signale ist, der zu einem ersten Interesse und dem Klick auf einen potentiellen Kontakt führt. Darauß die Aussage abzuleiten, dass Vornamen für die Partnerwahl ausschlaggebend wären, ist allerdings sehr reißerrisch.

Und nun?

Was bleibt ist die Frage, warum wohl kommerzielle Anbeiter von Ahnenforschung und kostenpflichtige Flirtportale Pressemeldungen zu einem Thema streuen, das breite mediale Aufmerksamkeit erwarten lässt, obwohl Vornamen nicht ihre Kernkompetenz sind. Ach so, wegen der breiten mediale Aufmerksamkeit. Und kostenlose PR erzielen zu wollen, kann man einem Unternehmen auch kaum zum Vorwurf machen.

Die Bitte richtet sich dann auch eher in Richtung Redakteure und Redaktionsmitarbeiter: Auch wenn Vornamen ein spannendes Thema sind, die Frage nach der Glaubwürdigkeit einer Pressemeldung dürfen Sie sich stellen, die nach der Fachlichkeit der Autoren durchaus auch. Und wenn es dann doch einmal die ein oder andere Pressemeldung nicht in die Redaktionssitzung schafft, tut das der Qualität Ihres Druckerzeugnisses sicherlich ganz gut.