2.Apr.2012

Mittwoch - die Geschlechterfrage

Als ich noch unterrichtete, gab ich meinen ausländischen Studenten gern handhabbare Faustregeln mit, die es ihnen einfacher machten, sich die Absonderlichkeiten des Deutschen zu merken. Beim Thema Wochentage bot sich dafür die Ähnlichkeit zum Englischen geradezu an, die englischen Wochentagsbezeichnungen enden auf –day, die deutschen auf -tag. Nur der Mittwoch, der sticht heraus. Leicht merken lässt er sich dennoch, schließlich ist er nichts anderes als die Mitte der Woche. Prima, über diesen Umweg hatten sie es sich schnell gemerkt.

In einem Anfängerkurs hob mit grübelndem Gesicht eine Studentin am Ende der Stunde die Hand. „Moment mal. Sie haben uns doch erklärt, das Geschlecht von Komposita richte sich immer nach dem Grundwort. Das Grundwort in Mittwoch ist Woche. Woche ist feminin. Wieso sagen Sie dann „der Mittwoch“ und nicht „die Mittwoch“?

Da hatte Sie mich.

Ich dachte kurz darüber nach, und musste zugeben, die Frage war sehr gut – und sehr berechtigt. Es sollte die Mittwoch heißen. Nach der Stunde schnappte ich mir mein etymologisches Wörterbuch, um herauszufinden, was das Wort historisch so zu bieten hat.

Kluge stellt lediglich fest, dass es mittelhochdeutsch mittewoche hieß, spätalthochdeutsch mittawecha und mittelniederdeutsch middeweke. Zum Genus schweigt er. Angaben dazu finden sich bei Pfeifer: althochdeutsch mittawehha, um 1000 n.Chr. feminin, mittelhochdeutsch mittewoche feminin, später maskulin. Und bei den Brüdern Grimm belegen zusätzlich Beispiele den Gebrauch als weibliches Wort:

  • vor diser nestin mittewochen
  • an der nesten mittwoch
  • an der mittewoche habe ich ein amt angetreten
  • auf die mittwoche werde ich nicht von ihrem wagen wegkommen
  • so hat er längstens auf die mittwoche einen brief von mir
  • ich war die mittwoche ganz früh schon wieder in der stadt

Die Oeconomische Encyclopädie schließlich, immerhin erst im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert verfasst, weist Mittwoch noch als eindeutig weiblich aus. Unter dem Lemma Mittwoche steht: "die, der Nahme des vierten oder mittelsten Tages in der Woche, welcher in vielen Gegenden nach einer mißverstandenen Analogie der übrigen Wochentage im männlichen Geschlechte der Mittwoch oder gar der Mittwochen lautet."

Nicht schlecht. Meine Erstsemesterstudentin hatte etwas aufgezeigt, was ich selbst wohl kaum hinterfragt hätte. Niemand würde heute noch den weiblichen Artikel verwenden. Der Wechsel zum männlichen Gebraucht trat offenbar in Angleichung an die anderen Wochentagsbezeichnungen ein, beginnend in einigen Regionen des oberdeutschen Sprachraumes und hat sich durchgesetzt. Vor noch zweihundert Jahren war das noch nicht der Fall.

Die Studentin hatte sich mit Ihrer Frage ein Bienchen verdient. Ich hatte genug Material gesammelt, um ihr überzeugend erklären zu können, dass man sich im Deutschen eben doch auf nichts verlassen kann.