13.Dez.2015

dreimal beliebteste Vornamen

3 kleine Kätzchen (Kätzchen gehen immer)

Deutschland führt keine amtliche Vornamenstatistik. Diese Lücke füllen verschiedene Organisationen, die jährlich jeweils ihre eigene representative Reihung der häufigsten Vornamen erstellen: Unnötig, dass sich mehrere Organisationen derselben aufwendigen Aufgabe widmen, sollte man meinen. Entweder alle kommen zu denselben Ergebnissen, dann würde eine einzige Liste genügen, oder die Statistiken weichen voneinander ab, dann stellt sich die Frage, ob überhaupt eine davon richtig ist.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. betreibt die Arbeit bereits seit 1977, der “Vornamenhobbyist” Knud Bielefeld wertet Geburtsstatistiken seit Mitte der 1990-er aus und das Namenkundliche Zentrum der Universität Leipzig ist in diesem Bereich erst in den letzten Jahren aufgefallen. 

Zur Beruhigung: Die Angaben, die die drei oben genannten vorlegen, sind zwar nicht identisch, ähneln einander aber. So belegen bei der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) 2014 die Jungennamen Maximilian, Alexander und Paul die ersten drei Plätze. Genau diese Namen führt auch das Namenkundliche Zentrum der Universität Leipzig in seiner Pressemitteilung für 2014 als beliebteste männliche Vornamen an, vermeidet aber, sie zu gewichten oder eine Liste zu veröffentlichen. Bei Knud Bielefeld hingegen sind Ben, Luis und Paul die Spitzenreiter.

Ähnlich sieht es bei den Mädchennamen aus. Bei der GfdS werden auf den ersten drei Plätzen Sophie/Sofie, Marie und Sophia genannt. Die Uni Leipzig stimmt damit überein. Bielefeld dagegen setzt Emma auf Platz 1, gefolgt von Mia und Hannah. Bei der GfdS finden sich Emma, Mia und Hannah in dieser Reihenfolge auf den Plätzen 5 bis 7.

Wie erklären sich diese Unterschiede?

Datenbasis und Methodik

Zunächst stellt sich die Frage, woher die drei Organisationen die Daten zur Erstellung ihrer Statistiken erhalten. Der GfdS werden die beurkundeten Namen von den Standesämtern aller großen Städte und vieler Kleinstädte gemeldet. Bielefeld nutzt die Geburtsmeldungen von Kliniken und erhält ebenfalls Informationen von Standesämtern. Auch die Namenberatungsstelle der Universität Leipzig gibt als Grundlage für ihre Statistiken unter anderem Standesämter an.

  GfdS Uni Leipzig Knud Bielefeld
Anzahl Quellen ca. 650 Standesämter ca. 300 Standesämter 455 (Geburtskliniken sowie 10 Standesämter) 
Anzahl Datensätze keine Angaben* ca. 203.000  ca. 181.000
Anteil der Geburten 2014 keine Angaben ca. 30%  ca. 26%
Gewichtung mehrerer Vornamen alle gleichwertig keine Angaben nur erster Vorname

(Datenbasis nach Angaben der jeweiligen Organisationen. 2014 wurden in Deutschland ca. 715.000 Kinder neu geboren. *Zwar gibt die GfdS in ihrer Pressemittleilung an, 898.000 Einzelnamen für 2014 erfasst zu haben und etwa 90% der 2014 vergebenen Vornamen zu berücksichtigen. Eine genaue Zahl zu den erfassten Datensätzen ließ sich aber nicht finden. Ein Datensatz kann mehrere Vornamen eines Kindes umfassen.)

Arbeitet die GfdS nun genauer, weil sie deutlich mehr Geburtsmeldungen erfasst? Solange die Datenquellen gleichmäßig über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind, ist auch eine Teilmenge ausreichend, um representative Ergebnisse zu erzielen. Die Angaben der Universität und von Knud Bielefeld sind grundsätzlich also nicht weniger zuverlässig.

Der entscheidende Unterschied ist weniger die Größe der Datenbasis, sondern dass die GfdS in ihrer Statistik nicht nach Erstnamen und weiteren Namen gewichtet. Auf diese Weise gelangen hier (man sollte vermuten ebenso bei der Uni Leipzig) auf die ersten Plätze Vornamen, die auch oder sogar besonders als Zweitnamen beliebt sind. Bei den Mädchennamen sind beispielsweise die beiden bei der GfdS bestplatzierten Mädchennamen Sophie und Marie häufig als Zweitnamen vergeben, in Kombinationen wie zum Beispiel Anne Sophie oder Stella Marie zu finden.

Mit der Vornamenstatistik für 2013 gab die GfdS erstmals – und ganz offensichtlich inspiriert durch Knud Bielefeld - ergänzend eine modifizierte Liste heraus, in der Erst- und Zweitnamen getrennt aufgeführt sind. Für 2014 belegen Bielefelds drei Spitzenreiter unter den Erstnamen für Mädchen in veränderter Reihenfolge ebenfalls die ersten drei Plätze unter den Erstnamen bei der GfdS. Auch Bielefelds und die GfdS-Liste der Zweitnamen stimmen weitgehend überein. 

Zusätzlich führt die GfdS auf, in welchem Verhältnis die Nutzung der einzelnen Namen als Erst- und Zweitname zueinander steht. Jedem Mädchen, das mit erstem Namen Sophie/Sofie heißt, standen demnach beispielsweise im Jahr 2014 6,71 Neugeborene gegenüber, deren Zweitname Sophie/Sofie lautet. Dies ist eine einleuchtende Erklärung dafür, warum in der Gesamtliste der GfdS Sophie/Sofie den ersten Platz belegt, während Knud Bielefeld für 2014 Emma als beliebtesten Mädchennamen kürt.

Dass sich die GdfS dazu bewegt sah, ebenfalls Listen mit Erst- und Zweitnamen herauszugeben, illustriert, dass selbst im Bereich der Vornamenstatistik Konkurrenzdruck herrscht. Denn einen amtlichen Auftrag zum erstellen dieser Statistiken haben die Organisationen nicht. Warum also widmen sie sich dieser arbeitsintensiven Aufgabe? 

Konkurrenz belebt das Geschäft - auch bei der Vornamen

Namen sind ein Thema, das interessiert, polarisiert und amüsiert. Die Vornamenstatistiken aller drei Organisationen garantieren mediale Aufmerksamkeit. Da alle drei auch kommerzielle Interessen verfolgen, kann öffentliches Interesse nicht schaden.

Sowohl bei der Universität Leipzig als auch bei der Gesellschaft für deutsche Sprache ist eine Beratungsstelle zu Vornamen angeschlossen. Telefonische Auskünfte zu Namen können kostenpflichtig eingeholt werden. Individuelle Gutachten zur Eintragungsfähigkeit von Namen werden individuell gegen eine Gebühr erarbeitet . Bei der GfdS kann außerdem eine Liste der 200 beliebtesten Vornamen für 10 EUR erworben werden. Auf der Website selbst werden nur die zehn häufigsten Namen veröffentlicht. Knud Bielefeld bietet für 6,99 Euro ein Jahrbuch an, das er als Book on Demand selbst veröffentlicht hat.  

Ausblick

Knud Bielefeld und die GfdS sind für die Frage der beliebtesten Vornamen bereits lange etabliert. Ersterer ist seit 20 Jahren dabei, die GfdS betreibt die Aufbereitung der Daten gar schon seit 1977. Einzig das Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig, eine etablierte Institution im Bereich Vornamen, ist bislang für Beliebtheitslisten nicht groß in Erscheinung getreten. So wird spannend zu sehen sein, ob es sein Engagement hier ausweiten wird. Spannend wird auch, ob die GfdS weiterhin die Deutungshoheit einfordern wird, oder ob sie ein gleichberechtigtes Nebeneinander mit Knud Bielefeld mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen wird. 

Listen bzw. Pressemeldunge der Organisationen: