24.Nov.2012

Schneewittchen - ein Vorname?

Schneewittchen

„Schneewittchen als Vorname? Das glaube ich nicht.“ Eine ähnliche Antwort erwartet man wohl am ehesten auf die Frage, ob Schneewittchen als weiblicher Vorname vergeben werden darf. Die Skepsis ist verständlich, bedenkt man die offensichtlich märchenhafte Herkunft. Blickt man zudem in eines der Standardwerke der Vornamen, in das „Historische Deutsche Vornamenbuch“ von Wilfried Seibicke, so wird man darin Schneewittchen als weiblichen Namen für eine Märchengestalt zwar finden - er wird jedoch als Vorname abgelehnt.

In einer anderen Schreibung darf Schneewittchen durchaus seinen Weg auf Geburtsurkunden finden: als Sneewittchen. Dies bescheinigt das Internationale Handbuch der Vornamen und beruft sich dabei auf Bernd-Ulrich Hergemöllers Buch „Vornamen. Herkunft, Deutung, Namensfest.“

So weiß wie Schnee, das Haar so schwarz wie Ebenholz und der Mund so rot wie Blut: Gehen wir Schneewittchen doch einmal etymologisch auf den Grund. Der erste Bestandteil von S(ch)neewittchen gehört zu germanisch *snaigwa-, althochdeutsch snēo ‘Schnee’, was sich zu mittelhochdeutsch snē entwickelt hat und erst in frühneuhochdeutscher Zeit mit <sch> verschriftlicht wurde. Gesprochen wurde dieser Laut aber wohl schon eher. Die Wurzel des Wortes weiß sind ebenfalls schon sehr früh bezeugt – es wird zu germanisch *hwīta bzw. *hwit(t)a, althochdeutsch (h)wīz, altsächsisch (h)wīt ‘weiß’ gestellt. Die mittelnieder- und mittelhochdeutschen Formen sind wit und wīz. Die Endung -chen ist ein Diminutivsuffix – hier wieder in hochdeutscher Form. Die niederdeutsche Form dieses Suffixes ist -ken.

Vergleicht man nun die Formen, stellt man recht schnell fest, dass Schneewittchen eigentlich eine Zwitterform ist, aus hoch- und niederdeutschen Elementen. Hochdeutsch müsste der Namen Schneeweißchen lauten (und wird eher mit dem Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ verbunden), niederdeutsch Sneewittken – aber das sagt keiner, oder?
Vermutlich hat sich die Mischform Schneewittchen im niederdeutsch-hochdeutschen Übergangsgebiet herausgebildet. Dieser Ausgleichsraum hat auch bei der Bibelübersetzung Luthers eine wichtige Rolle gespielt, waren doch die „mitteldeutschen“ Dialekte die Vermittler zwischen den nieder- und oberdeutschen Mundarten. Die Gebrüder Grimm jedenfalls haben Schneewittchen nie verwandt, sie schrieben die Erzählung von Schneeweißchen auf und publizierten diese 1812 in ihrer Märchensammlung.