28.Mär.2015

Namenwahl – was wirklich zählt

Vornamenwahl fällt schwer

Klang oder Großeltern, TV-Sternchen oder Romanfiguren – es gibt viele Aspekte und Inspirationsquellen, von denen sich werdende Eltern beeinflussen lassen. Im Mai 2014 veröffentlichte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) die Ergebnisse einer representativen Studie zur Vornamenwahl. Da dafür fast 1000 Eltern detailliert befragt wurden, hatten wir die Ergebnisse mit Vorfreude erwartet. Ein Anhaltspunkt sind die Ergebnisse, wirklich tiefgehend interpretiert wurden sie leider nicht. Doch verschiedene Implikationen sind durchaus einen zweiten Blick wert. Wir zeigen, warum.

Es war offenbar nicht Intention der Autoren, die Ergebnisse der Befragung zu interpretieren. Die Herausgeber haben vermieden, aus den Daten eigene Schlüsse zu ziehen. So beschränkt sich die Broschüre “Motive der Vornamenwahl”1 weitgehend darauf, die Daten darzustellen. Überraschend neue Erkenntnisse bieten sie kaum. Frühere Erhebungen kamen zu ähnlichen Resultaten. Ein wenig Interpretation können wir nun nachholen.

Zwei der wichtigsten Ergebnisse haben wir dafür einmal herausgezogen und im Folgenden beleuchtet. Zum einen die Angaben der Befragungsteilnehmer auf die Frage welche Kriterien bei der Vornamenwahl eine besondere Rolle gespielt haben, sowie welche Quellen sie für die Inspiration nutzten.

Welche Kriterien sind wichtig bei der Namenwahl

Hier die wichtigsten Kriterien im Überblick, geordnet nach Relevanz.

  1. Der Klang.
  2. Der Vorname soll gut zum Nachnamen passen.
  3. Er soll nicht zum Hänseln einladen, also möglichst keine Nachteile bergen.
  4. Er soll zu jedem Alter passen.
  5. Er soll auch der erweiterten Familie gefallen.
  6. Er soll eine bestimmte Länge haben (i.e. möglichst kurz bzw. möglichst lang sein).

Kriterien für Vornamenwahl

Diese Punkte waren kombiniert zu mehr als 50% relevant: besonders wichtig (dunkelblau) oder auch noch wichtig (hellblau).

Zu kombiniert weniger als 50% und in absteigender Relevanz wurden genannt:

  1. Er soll derzeit nicht modern sein.
  2. Er soll modern sein.
  3. Er soll ungewöhnlich sein.
  4. Es soll ein alter Name sein.
  5. Er soll an etwas Bestimmtes erinnern.
  6. Er soll eine bestimmte Bedeutung tragen.
  7. Er soll eine Nachbenennung nach einer anderen Person sein.
  8. Er soll einem bestimmten Kulturkreis entstammen.
  9. Er soll eine Familientradition aufgreifen.
  10. Er soll geläufig sein.
  11. Es soll ein religiöser Name sein.
  12. Er soll einen bestimmten Anfangsbuchstaben haben.

Unter all diesen Punkten hat Klang mit sehr weitem Abstand die größte Relevanz - und letztlich ist auch das Zusammenspiel mit dem Nachnamen, also Punkt 2, eine lautliche Frage. Dem Motiv Klang bzw. Wohlklang scheint für unsere Epoche bei der Benennung von Kindern eine übergeordnete Bedeutung zuzukommen. Denn dass dieser Punkt sehr weit oben erscheinen würde, war zu erwarten. Eine vergleichbare Erhebung unter 3.300 Eltern, die zwischen 1960 und 1990 Kinder in der ehemaligen DDR benannten (B. Kleinteich, Vornamen in der DDR 1960-1990, 1992), zeigte ebenso die Punkte “schöner und melodischer Klang” sowie “passt gut zum Familiennamen” mit deutlichem Abstand vor allen anderen Motiven.

Einer der letzten Punkte verdient besondere Aufmerksamkeit: “Es soll ein geläufiger Name sein.” Denn auch wenn nur 22% angeben, dieser Punkt habe eine Relevanz, und 76% sagen, er sei kaum oder gar nicht wichtig, lässt das nicht den Umkehrschluss zu, dass sich diese 76% der Eltern für nicht-gängige Namen entschieden haben. Unbewußt haben sie sehr wohl zu Namen tendiert, die geläufig sind. Die in die engere Wahl zu ziehenden Namen speisen sich ja gerade aus Namen, mit denen die Eltern zuvor in Kontakt gekommen sind, die also in unterschiedlichem Maße geläufig sind. Oder anders formuliert: Man nennt seine Kinder Emma, Mia, Ben oder Louis, da man mit diesen Namen vertraut ist. Galina, Jegor oder Artjom sind nicht einmal eine Option – eben weil sie nicht bekannt sind.

Inspiration für Vornamen

Lassen Sie uns noch einen Blick auf eine zweite Zusammenstellung werfen. In der Studie wurde auch gefragt, wie Eltern “auf den Vornamen ihres (ältesten) Kindes gekommen sind”. Leider legen die Auswahloptionen nahe, dass dem Befragungsdesign eine etwas simplistische Sicht darauf zu Grunde liegt, wie sich der Entscheidungsprozess für einen Namen darstellt. Die vorgegebenen Antwortoptionen (Mehrfachangaben waren möglich) implizieren teilweise, Vornamewahl kann losgelöst vom sozialen Umfeld gesehen werden. Doch das stimmt nicht. Die Wahl eines Namens muss eingebettet in einem kulturellen Kontext gesehen werden. Werdende Eltern sind sozial und sprachlich vorgeprägt, bringen also bereits lange vor einer Schwangerschaft ein ausgeprägtes implizites Verständnis dafür mit, welche Namen akzeptable sind, und welche nicht.

Zwar weisen die Autoren der Broschüre selbst schon drauf hin, dass die Inspiration “am häufigsten durch Menschen, die ihnen nahestehen” kommt. Gemeint sind damit allerdings die 31% unter Punkt 1. Das greift deutlich zu kurz. Warum erläutere ich gleich. Lassen Sie uns zunächst unkommentiert einen Blick auf die Ergebnisse und deren Gewichtung werfen.

Vornamen-Inspirationen

Inspirationsquellen. Gefragt war, wie die Teilnehmenden auf den Vornamen ihres (ältesten) Kindes gekommen sind.

Und lassen Sie uns dann folgende die Prämisse aufstellen:

Vornamen – wie auch alle anderen Ideen – verbreiten sich in erster Linie durch soziale Kontakte.

Sie finden zunächst innerhalb einer homogenen Gruppe zu Popularität, bevor sie dann ggf. auf andere Gruppen übergreifen. Anhaltspunkte dafür sind die regionale Beliebtheit vieler Vornamen sowie die nachgewiesene schichtenspezifische Popularität.

Nun lassen Sie uns die Ergebnisse aus dieser Perspektive beleuchten. Dann gehören nämlich die Antwortoptionen “Freunde/Familie/Bekannte”, “andere Familienmitglieder” sowie “Kinder im Bekanntenkreis” unmittelbar zusammen. Explizit wird damit das soziale Umfeld benannt – und dieser Punkt stellt sofort 48%.

Konkret greifbar sind die Punkte “Vornamenbücher/Vornamenlisten”, “Bücher/Filme/Fernsehen” und “Suche im Internet”. Wobei enschränkend auch hier gelten wird, dass der Rahmen dafür, welche Namen überhaupt akzeptabel sind, durch die soziale Biografie der Eltern gesteckt ist.

“Anderes” - da wäre interessant, welche Wege es noch gibt.Lassen Sie es uns einmal mit zum folgenden Punkt zurechnen, vielleicht zum ehrlichsten Punkt: “Kann ich nicht sagen / keine Angaben”. Denn es ist durchaus wahrscheinlich, dass nicht ein singuläres Ereignis die Namenwahl determiniert, sondern dass sie die Summe mehrerer Faktoren ist.

Ein Fragezeichen wirft die Auswahl “Ich hatte den Namen schon immer geplant” auf. Wie soll man sich das vorstellen? Hatten die Eltern die Idee für einen Vornamen schon seit ihrer eigenen Kindheit mit sich getragen? Haben Sie sich den Namen gar selbst erdacht? Wahrscheinlicher ist, dass sie irgendwann im Erwachsenenalter auf einen Namen gestoßen sind, der ihnen gefiel. Wie sie darauf gestoßen sind, bleibt zunächst offen. Aber wenn 19%, angeben, sie hatten den Namen “schon immer geplant”, dann ist damit die Frage nach deren Inspirationsquelle schlicht nicht beantwortet. Ehrlicherweise sollten diese 19% bei “kann ich nicht sagen”zugeordnet sein.

Das Fragezeichen ist noch größer beim Punkt “Durch Zufall. Ich habe den Namen irgendwo gehört oder gelesen.” Aha. Irgendwo. Auf dem Spielplatz vielleicht, im Gespäch mit Kollegen, in der Schlage vorm Jobcenter. In Flensburg, in Passau, oder im Urlaub in Ulan Bator. Und das bringt uns wieder zur Prämisse: Der soziale Kontext der Eltern bedingt, in welchem Ausmaß sie überhaupt mit bestimmten Namen in Berührung kommen können, die sie dann wiederum in die engere Wahl ziehen, wenn die eigenen Kinder benannt werden müssen. Auch diese 18% gehören wohl eher zu “kann ich nicht sagen”.

Wie Eltern mehrheitlich die Inspirationsquelle zur Namenwahl beurteilen, stellt sich – auf Basis der Befragungsergebnisse - aus meiner Sicht tatsächlich wohl eher so dar:

Quellen für Vornamen, tatsächlich

Festhalten können wir: Nur vergleichsweise wenige Eltern suchen bewusst nach Namen, indem Sie das Internet oder Namenbücher bemühen. Die direkte Inspirations durch andere Medien ist ebenso gering.
Was bleibt ist die Einsicht, dass knapp die Hälfte der Befragten sicher wissen, dass ihr Name aus dem sozialen Umfeld kam. Was bleibt ist auch die Erkenntnis, das 52% nicht sagen können, welche einzelne Quelle ihre Namenwahl bedingte. Das explizites Benennen einer Quelle ist dieser Gruppe offenbar nicht möglich; die Befragten haben eben nicht bewusst nach einem Namen recherchiert. Dass die Namenwahl letztlich durch das Umfeld zumindest beeinflusst wurde, ist daher wahrscheinlich. 

1Die Broschüre zur Befragung kann zum Selbstkostenpreis über die GfdS bezogen werden.