2.Feb.2012

Washington

George Washington. Woher aber kam der Name?

Washington ist Ihnen sicherlich geläufig, zum einen als Ortsname, zum anderen wahrscheinlich auch als Name des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington. Bevor wir gleich in die Geschichte dieser Namen eintauchen, fragen Sie sich einmal, was oder wer wurde hier wohl wonach benannt: Der Ort nach der Person? Die Person nach dem Ort?
Richtig.

Die Hauptstadt der Vereinigen Staaten, Washington, wurde 1791 gegründet und nach dem ersten Präsidenten der USA, George Washington (1732 bis 1799), benannt. Zur Zeit der Kolonisation war es nicht ungewöhnlich, dass Orte ad hoc benannt wurden, gern nach Persönlichkeiten der Zeit oder solchen, die sich um die Region verdient gemacht hatten.
George Washington selbst war gebürtiger US-Amerikaner der dritten Generation. Es war sein Urgroßvater John Washington, der 1656 von Essex, England, kommend in die Kolonie Virginia einwanderte. Dass der Familienname mit der Einwanderung auf den amerikanischen Kontinent gelangte, ist recht offensichtlich. Nun liegt die Vermutung nahe, den Ursprung von Washington finden wir auf den britischen Inseln. Schauen wir einmal, ob wir das untermauern können.
Dafür helfen Daten des Zensus von 1881, denn darauf aufbauend lässt sich die Verbreitung des Familiennamen Washington in Großbritannien aufzeigen.
Unter allen Einwohnern wurden 1489 Menschen dieses Namens gezählt, v. a. in und um die Ballungszentren London, Manchester und Liverpool. Auffällig ist aber auch eine Konzentration im Süden, in Ost- und West Sussex, also in der Region, der auch John Washington entstammte.

Und das Wort selbst? Offenbar handelt es sich um ein Kompositum aus Washing- (welches wir gleich näher betrachten werden) und -ton. -ton fand als Grundwort häufig in englischen Ortsnamen Verwendung, denken Sie nur an Middleton, Ashton, Brighton, Newton. Es geht auf ein altenglisches und altsächsisches Wort tūn, Altnordisch tún und Althochdeutsch zūn zurück.
Ursprünglich bezeichnete tūn eine Einfriedung, einen Garten oder Hof, eben etwas Umgrenztes. Später wurde daraus das englische Wort town, in seiner heutigen Bedeutung ein bewohntes Areal, eine Ansammlung von Gebäuden, also eine Siedlung, eine Stadt. Auch das althochdeutsche zūn entwickelte sich weiter. Sie kennen es, oder besser gesagt, das, was daraus wurde: Zaun. In früher Zeit waren Siedlungen in der Regel befestigt, durch eine Mauer o.ä. so dass sehr offensichtlich ist, wie town und Zaun zusammenhängen.

Der Familienname Washington geht also auf einen Ort zurück. Er ist ein Herkunftsname. Durch Herkunftsnamen wurden Leute angesprochen, die aus einem fremden Ort zuzogen. Ihre Herkunft hob sie von den Alteingesessenen ab. Als Familienname bedeutet Washington also “der aus Washington gekommene”.

Und wo finden wir nun einen solchen Ort auf den britischen Inseln? Das Oxford Dictionary of Surnames kennt zwei Washington. Beide gibt es noch. Einer liegt im Horsham District, Westsussex , der andere hat sich zu einem Vorort von Sunderland in Tyne and Wear entwickelt.

Zumindest zum Ort in Westsussex kennt das Cambridge Dictionary of English Placenames auch alte Belege.

  • 1397: Washington
  • 1261-1439: Wassington
  • vor 1080: Wasingetune
  • 947: Wasingatun
  • 946/7: Wessingatun

Ausgehend von diesen älteren Formen kann man eine Urform *Wassingatūn ansetzen, die Wassinga und das schon besprochene tūn vereint. Wir sollten uns einmal dem Bestimmungswort zuwenden.

Komposita wie unser Ortsname Washington bauen gern auf geografischen Gegebenheiten auf (z.B. Hil-ton, aus hill [Berg, Hügel] und ton), oder aber es finden sich Personennamen im Bestimmungswort. Im Falle von Washington deutet das Element -ingas sehr deutlich auf einen Personennamen, denn -ingas ist ein Suffix im Genitiv Plural, das Zugehörigkeit ausdrückte. Es markierte eine Gruppe als zu einer Person gehörend. So entwickelte sich z. B. aus Deorsige + ingas + ham der spätere Ortsname Dersingham ("Ansiedlung der Leute des Deorsige"). Oder: Cydda + ingas + tun bildete den späteren Ortsnamen Kedington ("die Siedlung der Leute des Cydda").
Für beide Ortsnamen Washington scheint eine ähnliche Etymologie zuzutreffen. Ein Personenname Wassa wird im Bestimmungswort angesetzt: Wassa + ingas + ton, das spätere Washington, bedeutete offenbar "die Siedlung der Leute des Wassa". Und unsere eingangs aufgeworfene Frage, wer oder was hier namengebend war, ist beantwortet.

Die englischen Ortsnamen gehen auf einen Vornamen zurück, wurden zu Familiennamen, kamen mit der Kolonisation in die neue Welt und waren Motiv für weitere Ortsnamen, übrigens auch in anderen amerikanischen Bundesstaaten, Argentinien, Kanada, den Philippinen. Und: Washington als Vorname gibt's auch.